← vorheriger Beitrag: Woche 1 → nächster Beitrag: Woche 3
Es ist Samstag Morgen als ich Berlin Richtung Süden verlasse. Jedoch geht es nicht direkt in den Süden sondern ich möchte nochmals mit dem Rad ein paar Sehenswürdigkeiten besuchen. Zuerst geht es an der Siegessäule zum Brandenburger Tor, danach entlang der Mauer und Checkpoint Charly zum Flughafen Tempelhof. Schon speziell wenn man einfach so mit dem Fahrrad (oder anderen Dinge) auf einem Flughafen fahren kann. Das Gelände ist riesig und beeindruckend. Danach geht es nun südlich aus Berlin raus. Ich finde einen guten Weg und komme so ohne grossen Autoverkehr aus der Stadt raus. Auch auf den Landstrassen ist es gemütlich. Meist hat es zwar einen Radweg aber der wird nicht wirklich benötig da es sehr wenig Verkehr hat. Hier scheint eh das Gebiet der Rennrad-Fahrer zu sein. Von denen hat es viele. Während einer schwachen Sekunde, Wind und leichtes Gefälle stimmte gerade perfekt, trete ich selber richtig in die Pedale und zeige den Rennradlern, wie man auch mit Vollbeladung auf Speed kommt. Das geht gut bis zur nächsten Kreuzung und dann fehlt mir der Schwung. Naja, waren sie dann doch schneller 😂
Den Autofahrern muss ich auch ein Lob aussprechen. Schon während der ganzen Reise… überholt wird nur wenn nichts entgegen kommt und meist mit viel Abstand auf der ganzen Gegenspur. Kommt etwas entgegen, dann warten sie bis es frei wird. Auch an Kreuzungen läuft es stressfrei. Hier hat sich richtig was getan die letzten Jahren. Auch die Fahrradfahrer halten sich hier mehr an die Regel als in der Schweiz. Da könnte beide Parteien noch was lernen und es in der Schweiz besser umsetzten.
Speziell für heute ist es auch, dass ich bis jetzt das teuerste Mittagessen dieser Tour hatte. 38€ Hauptspeise und ein Bier, uff. Und nach 66km machte ich bereits für heute Schluss, da ich durch meine Zusatzschlaufe mehr Zeit benötigt habe und das auch wollte. Und diese Ruhe auf dem Camping, man nimmt richtig die Umgebung wieder wahr. Die Vögel zwitschern ihr Abendlied und es durftet nach Natur, Genuss pur.
Das wird wieder mal eine ruhige und erholsame Nacht… denkste, zuerst habe die Zeltnachbarn bis etwa um eins in der Nacht gequatscht und um etwa 4 Uhr haben ein paar Jungs den Ausgang noch etwas verlängert und laute Musik laufen gelassen und gejohlt. Ich als Frühaufsteher war dann noch früher wach. Ansonsten verging der Tag zunächst ereignislos und ich wusste nicht so recht ob und was ich zu Mittag essen kann und vor allem wo. Gut im Notfall habe ich immer was dabei. Nach einem kleinen Umweg habe ich dann was gefunden und im Gegensatz zu gestern war es mit 18€ (inkl. Dessert) grad billig, zusammen mit dem Camping und dem Abendessen bin ich grad bei 50€ angekommen, ein kleiner Ausgleich zu den letzten Tagen. Wie schon erwähnt wars heute ereignislos und weit weg von der “Zivilisation“ dennoch landschaftlich schön. Eben ereignislos, dachte ich und schon ändert es sich. Zuerst werde ich von Jirka eingeholt, der mit seinem Liegerad schon ein Jahr unterwegs und nun auf dem Heimweg in die Tschechoslowakei ist.
Dann muss ich doch tatsächlich über eine Fähre und über die Elbe, wusste gar nicht das die hier durch fliesst. Ach ja, ich bin nun im Sächsischen angekommen und die verstehen mein deutsch nicht und auch ich hab mühe damit, aber die sind sowas von gemütlich.
Die Nacht war dieses mal ruhig, sehr ruhig. Was mich aber immer wieder aufwachen lässt ist die Kälte. Gut es ist etwa um die 12°, was ja nicht so kalt ist, aber mein Schlafsack ist nun wirklich nicht mehr so neu und inzwischen in die Jahre gekommen. Da muss ein neuer her, aber so auf die schnelle geht das nicht. Jedenfalls friere ich mir jede Nacht, wortwörtlich, den Arsch ab. Für oben habe ich, nebst dem Merino Oberteil, noch ne Jacke. Unten nur ne Merino Hose was zu wenig ist. Während der heutigen Fahrt hab ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, wie ich das lösen könnte. Zum einen hätte ich noch die lange Velo Hose, aber die ist zu eng. Zum anderen hab ich die Hose für am Abend, die ich auch nicht anziehen möchte, schon wegen der Sauberkeit. So muss ne neue Hose her. Hmm, nun gibt’s ne neue Herausforderung. Wie soll ich das lösen? Die neue Hose soll noch gewaschen werden und wenn grad… dann die anderen Kleider auch. Bei diesem Wetter schwitzt man viel. Und am besten ist es wenn alles in der Nähe und das Velo samt Gepäck gut aufgehoben ist. Eigentlich wollte ich noch weiter nach Süden aber ich beschliesse in Leipzig ein Hotel zu suchen und da alles zu erledigen. So komme ich heute nur auf die Hälfte der geplanten 100km. Dafür liegt das Hotel (ist Zufall) perfekt und alle Dinge kann ich schnell erledigen und mich der Planung für Morgen und die kommende Tage widmen. Und schon habe ich das nächste Problem!!! Auf der geplanten Route finde ich auf den nächsten 250-300km keinen einzigen Campingplatz (Wildcamping is nicht). Ich steh vor einem grossen Problem, was soll ich machen, damit es nicht viele extra KM gibt. Mir kommt der Gedanke “Plan B“ welcher ich gemacht hätte, wäre der Zug nicht nach Hamburg gefahren. Bei Plan B wäre ich von Basel aus den Rhein runter bis Mainz und dann über Frankfurt nach Leipzig. Von da aus wäre ich der ursprünglichen Route wieder zurück gefahren. Und genau diesen “hinweg“ Weg nehme ich Morgen.
Mir scheint, dass die Deutschen in Sachen Fahrrad fahren und Radwege bauen sehr viel weiter sind. Auch spürt man eine kulturelle Umstellung der Mitbürger. Das Velo wird für viele Dinge genutzt, vor allem zum Pendeln.
Das alles spüre ich in der Schweiz nur im Ansatz und es scheint das sie um Jahren hinterher hinkt. Vor allem wenn es um die Akzeptanz des Velos geht, ist es in vielen Köpfen noch ein sehr weit weg.
Hier in Deutschland funktioniert es schon sehr gut, jedenfalls in diesem Teil.
Nun also geht es in eine andere Richtung weiter und ich verlasse Leipzig Richtung Südwest, statt ursprünglich Süden. Die Ausfahrt ist, wie meistens in Orten, mit viel Pflastersteine gesäumt und so holpert es zunächst wieder richtig. Danach wird der Weg besser und ich komme gut voran. Vorbei an Seen (zwischendurch sieht man auch ein FKK Schild, ja ich glaube fast die Ostdeutschen waren da offener) und auf alten Eisenbahntrassen die sich über die Felder schlängelt. Mit dem Zelten klappt es auf dieser Route schon mal gut, der eine Campingplatz ist idyllisch und ruhig gelegen und der andere zwar auch idyllisch an einem See aber dafür gleich neben einer gut befahrenen Strasse. Wichtig jedoch ist, wie geht es mit dem “Arsch abfrieren“… perfekt, die Hose hat es gebracht. Nun gut, unter 10° darf es auch so nicht werden, aber… crossfingers.
Die dritte Nacht, vor Frankfurt, finde ich auch kein Campingplatz aber wenigstens ne Unterkunft. Und nun gegen Ende meiner zweiten Woche komme ich in Frankfurt an und darf mich für zwei Nächte bei meinem guten Freund Günter einquartieren.
Wettermässig waren ja die ersten zwei Wochen der Hammer, bis auf die kühlen Nächte. Immer Sonnenschein und der Wind meist aus Nordosten. Für nächste Woche hat er etwas labileres Wetter mit Gewitterneigung und der Wind dreht auf Südwest. Aber das werden wir noch sehen…